Obwohl ich schon viel in Italien gereist bin, habe ich bisher nie Südtirol besucht. Meine Großeltern waren früher öfter dort und wanderten zum Beispiel auf der Seiser Alm. Berge hatten mich bisher nie angezogen und da ich die Erzählungen und Fotos meiner Oma kannte, hatte diese Region und vor allem die Seiser Alm für mich immer einen etwas verstaubten Touch früherer Zeiten.
Als ich letztes Jahr Rezepte für „Zu Gast in Südtirol“ lektorierte und die wunderschönen Fotos dieser Region sah, landete sie plötzlich ganz oben auf meiner Liste der Reiseziele.
Ich wurde nicht enttäuscht. Nicht nur die Berge ziehen mich immer mehr in ihren Bann, auch Südtirol empfing uns mit offenen Armen und traumhaftem Wetter, wie wir es uns nicht besser hätten wünschen können und verzauberte uns mit seiner herrlichen Landschaft, seinen atemberaubenden Berggipfeln und Panoramen – und natürlich seiner Küche.
Wir hatten zwei wunderbare Ferienwohnungen, die ich sehr empfehlen kann.
Zuerst waren wir auf dem quasi nagelneuen Biohof Oberwerkstatt in der Nähe des Latemars, wo wir mit unserer morgendlichen Frühstückskiste köstlichen Ziegenkäse, fantastische Ziegenmilch, leckeres Walnussbrot und die besten Eier bekamen, die ich je gegessen hatte. Abends genossen wir mit einem Wein in der Hand auf unserer Terrasse einen Sonnenuntergang in Blockbuster-Format und nachts umfing uns himmlische Stille.
Die Familie der Hofbesitzer betreibt seit Jahrzehnten ein Bio-Hotel in der Nähe und haben bereits zwei vegane Kochbücher veröffentlicht, womit sie in Südtirol sicher Vorreiter auf diesem Gebiet des Kochens und Bewirtens sind.
Die folgenden drei Nächte verbrachten wir auf dem Hof Aussergost, deren Besitzer die Gostner Schwaige auf der Seiser Alm betreiben. Auch diese Wohnung war fantastisch, auf dem Balkon blickten wir Richtung Schlern und über die grünen Hügel der Umgebung.
Der nächste Ort war Seis und somit war die Seiser Alm nicht weit, wo wir eine herrliche Rundwanderung mit Einkehr in der Puflatsch-Hütte machten, um uns dort mit Spinatknödeln an Käsesauce und Nougatknödeln zu stärken und wo ich mich meinen Großeltern sehr nahe fühlte, weil ich irgendwie auf ihren Spuren wandelte – und auf einmal sehr gut verstand, warum sie dort so oft Urlaub gemacht hatten.
Nachdem mein Reisebegleiter leider schon früher abreisen musste, genoss ich Südtirol noch 3 Tage alleine und schaute mir von Oberbozen aus Meran, Bozen und Brixen an.
Wenn man wie ich ein Hotel erwischt, das eine Gästekarte vergibt, kann man während seines Aufenthaltes gratis den gesamten Regionalverkehr der Region Südtirol nutzen! Ich ließ das Auto also auf dem gratis Parktplatz meines Hotels Post stehen und erkundete mit der Seilbahn nach Bozen, der Rittner Schmalspurbahn und mit Regionalzügen die Region.
Das Hotel hatte ich spontan gebucht, nachdem ich lange gesucht hatte, denn obwohl die Ferienzeit vorbei war, waren viele Unterkünfte noch ausgebucht. Von der Lage sowie vom Preis-Leistungs-Verhältnis war das Hotel für mich perfekt. Das Zimmer war schlicht, aber sauber und lag in einem Nebengebäude, in dem ein bisschen die Zeit stehengeblieben zu sein schien, was ich aber sehr schön finde, da ich alte Häuser, Möbel und Einrichtungen liebe. Mein Bad besaß noch Fliesen aus den 1970er Jahren – gewöhnungsbedürftig, aber ich fand es charmant. Wirklich gut fand ich das Essen. Ich hatte Halbpension und vor allem das Abendessen kann ich nur loben. Meistens gab es regionale Gerichte, man konnte sich seine Menüzusammensetzung morgens beim Frühstück aussuchen. Direkt um die Ecke des Hotels war die Seilbahnstation, also quasi der Bahnhof nach Bozen. Abends war es sehr still und deutlich kühler als im Tal, wo ich bei schwülen Temperaturen glatt noch ins Schwitzen kam.
Von Oberbozen aus kann man übrigens absolute Naturwunder besichtigen: Erdpyramiden – steile, turm- oder kegelförmige Erosionsformen. Absolut sehenswert!
Kulinarisch konnte ich einige Spezialitäten probieren. In Bozen probierte ich Südtiroler Schlutzkrapfen (oder Schlutzer), ravioli-ähnliche, mit Spinat gefüllte und mit Butter und Parmesan servierte Pasta mit Roggenmehlanteil im Teig.
Im Hotel in Oberbozen bekam ich Südtiroler Gulasch mit Knödeln und eine Terlaner Weinsuppe. Auf der Seiser Alm schlemmte ich mich durch Spinatknödel mit Käsesauce und Nougatknödel mit Vanillesauce. Auf dem Latemar gab es Apfelstrudel mit Mürbteig und Vanillesauce. Auch Vinschgauer Brötchen konnte ich auf dem Biohof kosten, denn man konnte sie für die Frühstückskiste auswählen. Guten Südtiroler Schinken und Bergkäse kauften wir in Kastelruth und machten zünftige Brotzeiten auf unseren Wanderungen.
Wanderungen kann man natürlich zahllose machen, die ganze Region ist voll herrlicher Routen, Panorama-Wege und Berggipfel. Alleine die Seiser Alm könnte man vermutlich wochenlang bewandern, bis man alle Wege und Routen abgelaufen ist.
Sehr empfehlen kann ich noch die Titschenwarte bei Bozen. Sie scheint ein kleiner Geheimtipp zu sein und lohnt sich auf jeden Fall! Von einem Dorf aus wandert man eine Weile durch den Wald hinauf bis zu diesem ganz besonderen Aussichtspunkt mit atemberaubendem Blick auf die Dolomiten – Schlern, Rosengarten und Latemar.
Letzteren hatten wir an unserem ersten Tag bestiegen. Für Sportliche ist die Route zur obersten Hütte sehr empfehlenswert – gute Wanderschuhe und eventuell Stöcke absolut sinnvoll! Die Aussicht während des Aufstiegs und von oben ist atemberaubend.
Sehr schön war auch der Karersee (Lago di Carezza) mit seiner magischen Farbe, allerdings ist er ein riesen Touristenmagnet und ganze Busladungen strömen dorthin, um Fotos zu machen. Wenn man von dort allerdings ein wenig abseits andere Routen wählt, kann man schöne kleine Wanderungen im Wald machen, unter anderem zum heute trockenen Mittersee (Lago di Mezzo), der nun eine idyllische Waldlichtung ist und sich schön zum picknicken eignet.
Witzigerweise war uns nicht klar, dass der See ausgetrocknet ist, weshalb wir eine ganze Weile in der Umgebung herumwanderten – immer auf der Suche nach diesem See. Beim Mittagessen bei besagter Lichtung fielen mir die Steine an deren Rand auf – und dann fiel der Groschen.
Das Fazit meiner ersten Südtirol-Reise ist jedenfalls unglaublich positiv und ich möchte auf jeden Fall bald wieder in diese bezaubernde Region reisen!
Sofern ihr sie noch nicht kennt, konnte ich euch hoffentlich inspirieren und alle, die Südtirol schon kennen und lieben, haben vielleicht trotzdem noch etwas Neues erfahren – oder konnten eigene Erinnerungen auffrischen.
Wer jetzt Appetit auf Südtiroler Küche hat, kann sich ja schon mal mit meinem Südtiroler Apfelstrudel Fernweh anfuttern.
Habt einen genussvollen Herbstbeginn und lasst es euch gut gehen!
Eure Judith
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