♥ Blogevent ♥ Kartoffelpuffer, Gießkannenwein & die Operette von der Wilden Sau

Kartoffelpuffer5Heute gibt es, als Ouverture des neuen Jahres sozusagen, eine Erinnerung von mir an die Ferien bei meinen Großeltern, die ich mal zu diesem Gericht aufgeschrieben hatte. Darin verpackt ist eine weitere Anekdote meiner Oma, die sie mir beim Kochen erzählt hat. Da meine liebe Omi nun seit einer ganzen Weile im Betreuten Wohnen lebt, geben wir dieses Frühjahr ihr Haus in andere Hände, was für mich einen Abschied von einem Ort voller Erinnerungen bedeutet. Hier kommt eine von ihnen:

Fast jedes Mal, wenn ich als Kind bei meinen Großeltern zu Besuch war, machten meine Oma und ich Kartoffelpuffer, oder „Grumbeerpannekuche“, wie man in der Pfalz dazu sagt. Opa und ich liebten sie und wenn ich sie in der Pfanne mit Hingabe so richtig knusprig und goldbraun gebraten hatte, ging ich tief befriedigt aus der Küche und war beim Essen selig.

Kartoffelpuffer1Wie immer begannen wir damit, dass etwa eine halbe Stange Lauch geputzt und in feine Streifen geschnitten wurde. Während Oma mit ihrem kleinen Messer vor sich hinschnippelte, schlug ich zwei Eier in die orangene Plastikschüssel, die ihrem Muster nach aus den Siebzigern stammt und gab eine gute Prise Salz dazu. Das Ganze würde mit dem Lauch eine Weile ruhen.
„Brauchen wir noch was aus dem Keller? Ich gehe jetzt mal die Kartoffeln und Zwiebeln holen.“ „Eine Flasche Rotwein kannst du noch mitbringen, Opa trinkt ja gerne ein kleines Gläschen zum Essen.“
Tatsächlich konnte man Opas Gläschen Wein nur als medizinische Dosen bezeichnen, denn er trank stets nur 0,1 cl. Ob er es auch aus medizinischen Gründen tat, weil man ihm früher nach diversen Herzinfarkten gesagt hatte, ein wenig Rotwein täglich sei gut fürs Herz, oder ob er ihn lediglich zu seinem Genuss trank, konnte ich nicht sagen. Fest stand jedoch, dass solch ein Gläschen niemals schaden konnte, dachte ich, als ich die Kellertreppe hinunterstieg.
Der Keller meiner Großeltern war für mich immer eine eigene Welt gewesen. Er bestand wie das Haus auch aus einem langen Flur und es gab neben dem Heizungsraum einen Waschraum mit Waschmaschine, Bügeltisch und einem alten Küchenschrank, in dem allerlei alte Töpfe, ein ausgedientes Service und geheimnisvolle Küchenutensilien lagerten, deren Bedeutung ich als Kind erfragen musste, weil es sie in den Küchen meiner Generation nicht mehr gab. Ich liebte diesen Schrank und stöberte jedes mal darin herum, wenn ich Oma zum Bügeln begleitete. Der dritte Raum war fast leer, nur eine Kiste mit Koffern stand darin und ein altes Trimmdich-Rad, das mein Opa sich aus Gesundheitsgründen angeschafft hatte- und das sicher fast unbenutzt war, auch wenn es mittlerweile wohl 30 Jahre dort sein Dasein fristete. Mein Ziel war der vierte Raum, der Trockenraum, in dem an mehreren den Raum überspannenden Leinen Wäsche aufgehängt wurde und wo Vorräte wie Kartoffeln, Zwiebeln und Eingemachtes lagerten. Dort suchte ich ein paar schöne große Kartoffeln aus dem kleinen Holzverschlag neben der Tür, der aussah wie ein grober Holzkomposter und wo man neu gekaufte Säcke einfach hineinkippen konnte. In der anderen Ecke suchte ich eine dicke Zwiebel und einen Rotwein aus und überflog kurz die Gläser im Regal, um zu prüfen, ob wir Obst kaufen mussten. Es war noch genügend von allem da, was mich mit Befriedigung erfüllte.
Bei den Großeltern zu sein war für mich stets gleichbedeutend mit Überfluss gewesen. Wie es sich gehörte, gab es hier immer genügend Süßigkeiten, leckere gekochte Sachen, die ich zu Hause nie bekam und meist wurde mir all das auch noch liebevoll von meiner Oma gebracht, ohne dass ich einen Finger rühren musste, was ich manchmal schon fast als unangenehm empfand, selbstständig wie ich eigentlich war. Andererseits hatte ich hier jedoch schon seit ich denken konnte ganz selbstverständlich im Haushalt mitgeholfen und ich liebte es, mit Oma zu kochen, die Betten zu machen und im Keller die Wäsche auf- und abzuhängen und danach zu bügeln. Bei ihr hatten all diese häuslichen Aufgaben einen besonderen Reiz und teilweise haftete ihnen, wohl aufgrund der Umgebung in dem Bungalow der sechziger Jahre und seiner entsprechenden Einrichtung, ein Hauch von Zeitreise an.

Kartoffelpuffer4Mit der Rückkehr aus dem Keller kehrte ich zugleich aus meinen Erinnerungen zurück und in der Küche machten wir uns daran, die Kartoffeln und Zwiebeln zu schälen und beides in der Küchenmaschine zu reiben, die Oma mittlerweile zusammengebaut hatte. Das Gemüse wurde zu den Laucheiern gegeben und Oma fügte noch ein bis zwei Esslöffel zarte Haferflocken hinzu. „Den Tipp hat mir mal eine Frau gegeben, die ich in der Kur kennen gelernt habe, als ich mit Opa dort war. Die Puffer werden dann noch viel knuspriger, meinte sie.“ Das erzählte sie jedes Mal, wenn sie diese letzte Zutat einrührte. Den Teig ließen wir dann stehen und schöpften nur hin und wieder die sich ansammelnde Flüssigkeit aus der Schüssel ab (weil wir jedes Mal vergaßen, die geriebenen Kartoffeln in einem Sieb abtropfen zu lassen), während der würzige und leicht erdige Geruch von Lauch und rohen Kartoffeln in der Luft hing.
In wachsender Vorfreude auf das leckere Mittagessen hüpfte ich durch die Küche und fühlte mich wie ein kleines Mädchen. „Hach, was geht’s uns gut heute, oder?“ fragte ich strahlend. Grumbeerpannekuche waren immer ein Festmahl.
„Das kannst du laut sagen! Und was wären wir erst im Krieg froh gewesen über so was! Das waren schlimme Zeiten!“ Wie so oft genügte ein einziges Stichwort, um Oma innerhalb einer Sekunde in die Vergangenheit zu befördern und sie irgendeine Geschichte von damals erzählen zu lassen. Gespannt hüpfte ich auf die Arbeitsfläche, stützte meine Hände hinter mir auf und spitzte die Ohren.
„Vor allem gegen Ende des Krieges war es schlimm. Wir hatten zwar Essensmarken, aber viel gab es nicht mehr dafür. Wobei wir ja noch Glück hatten, anderen ging es viel schlechter.“ „Und ihr wart auf der Schwäbischen Alb und wurdet nicht mehr bombardiert, oder?“ warf ich ein. „Genau, wir waren in Tuttlingen bei Onkel Karl und da kamen ja dann die Franzosen und haben die Stadt eingenommen. In unserem Haus sollte dann eine Infirmerie untergebracht werden und die Soldaten sagten uns, wir müssten alle raus. Aber wohin sollten wie denn? Also ist meine Cousine zum Offizier gegangen und hat ihm unsere Lage erklärt. Er war ganz beeindruckt von ihrem guten Französisch und so durften wir bleiben, unter der Bedingung, dass meine Mutter und meine Tante bei ihnen in der Küche helfen würden.“ „Na, das ist ja ein kleines Übel, oder?“ „Oh ja, das war unser Glück. Es war unglaublich, was die Franzosen alles weggeworfen haben! Wenn das Brot einen Tag alt war, haben die das nicht mehr gegessen und wir haben alle Reste eingesammelt und konnten so noch Freunde mitversorgen. Sogar Wein konnten wir sammeln. Ich sehe ewig, wie mein Onkel Karl ihn in eine Gießkanne goss und die dann über die Straße trug, damit es nicht auffiel.“
Ich schmunzelte und stellte mir einen Mann mit einer Blechgießkanne vor, wie man sie damals sicher gehabt hatte und wie er dann so bei Freunden den Wein weiterverteilte. Mein Blick fiel neben mir auf die Schüssel und ich rührte den Teig um. Diese Bewegung holte Oma kurz zu unserer Aufgabe zurück und sie stellte eine Pfanne auf den Herd und gab eine Portion Butterschmalz hinein, das sofort anfing, in eine glänzende Pfütze zu zerschmelzen. Für die fertigen Pfannkuchen holte ich ein Plätzchengitter aus dem Schrank und legte mehrere Blätter Küchenpapier darauf aus. Dann band ich mir die Schürze um und stellte mich mit einem Löffel bewaffnet vor dem Herd in Position, bereit, in die heiße Pfanne drei bis vier Fladen zu streichen.
„Und deine Mutter und deine Tante haben dann die Franzosen bekocht?“ fragte ich, während ich den ersten Löffel Teig in die Pfanne gab. Sofort breitete sich ein herrlicher Duft in der Küche aus.
„Bis auf uns mussten ja alle Bewohner im Haus ausziehen und die Besatzer haben es genutzt. Nebenan war dann die Küche und meine Mutter und Tante Gretchen haben jeden Tag drüben mitgearbeitet. Da gab es einen Soldaten, ich glaube er hieß George, der hatte einen Narren an uns gefressen. Mir hat er Avancen gemacht, aber davon wollte ich nichts wissen. Ich hab immer abwehrend die Hände hochgerissen, wenn er in meine Nähe kam und hab zu ihm gesagt `Bleib´mer drei Schritt vum Leib!`. Er hat das sicher nicht genau verstanden, aber er hat es dann immer nachgemacht und gerufen `Attention, attention! Drei Schritt vum Leib!`. Und Musik mochte er so gern. Er wollte immer, dass Onkel Karl auf seiner Ziehharmonika spielt und singt. `Opa, du spielen!` sagte er immer. Ich seh´es ewig vor mir. Onkel Karl saß auf dem Küchenstuhl und kündigte an: `Meine Damen und Herren, Sie hören nun die Ouvertüre zur Operette von der Wilden Sau.` und dann legte er los.“
„Und wie ging diese Operette?“ fragte ich grinsend. Oma besann sich kurz, dann fing sie an zu singen:
Siehste net die Wutz im Garten
Wie sie wuhlen tut mit ihrer Schnut?
Im Salat und den Tomaaaaten
Wie es ihr hat wohlgetut!“

Ich brach in Gelächter aus und hätte fast versäumt, die erste Ladung Pfannkuchen rechzeitig heraus zu nehmen. Ich legte sie auf das Küchenpapier, tat etwas neues Schmalz in die Pfanne und gab die nächsten vier hinein. Während sie auf der einen Seite zu bräunen begannen, drehte ich die fertigen auf dem Gitter um, so dass auch auf dieser Seite das Fett noch etwas aufgesaugt werden konnte. Gleich konnten wir den ersten probieren und wenn Opa in einer halben Stunde von seinem morgendlichen Spaziergang käme, könnten wir direkt essen.
Plötzlich musste ich lachen. „Oma?“ „Ja?“ „Vor lauter Quatschen haben wir vergessen, den Apfelbrei zu kochen!“

Kartoffelpuffer3Omas Kartoffelpuffer
2 Eier
½ Stange Lauch
Salz/ Pfeffer
ca. 10 mittelgroße Kartoffeln
1 dicke Zwiebel
2 EL (zarte) Haferflocken

Die Eier in eine Schüssel schlagen. Den Lauch putzen und die Blätter einmal längs halbieren, dann quer in feinste Streifen schneiden. Mit Salz und/oder Pfeffer zu den Eiern geben und verrühren.
Die Kartoffeln schälen und reiben. Die Zwiebel ganz fein würfeln.
Alternativ beides durch die Küchenmaschine jagen und raspeln.
Die Masse in einem Sieb eine Weile abtropfen lassen. Dann zu der Eimasse geben, die Haferflocken hinzu geben und alles gut verrühren. Abschmecken. (Wer rohen Teig nicht probieren mag, backt erst einmal einen kleinen Puffer, probiert den und würzt dann den Teig nach.)
In einer Pfanne mit heißem Butterschmalz zu goldbraunen Puffern ausbacken.
Am besten heiß servieren und (selbst gekochtes) Apfelmus dazu reichen.[nurkochen]

KartoffelpufferDas letzte Mal haben wir dieses Rezept von Oma dieses Weihnachten gemacht – in unserer Paellapfanne im Hof, bei mildem Frühlingswetter, im Pulli ohne Jacke. Ich bin sicher, nicht wenige haben an den Feiertagen sogar gegrillt… =)

Kartoffelpuffer2Habt einen genussvollen Jahresbeginn,
eure Judith

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